Zurzeit verschlingen die Katalanen wieder tonnenweite Frühlingszwiebeln. Frühlingszwiebeln. Sie zu essen ist gar nicht so einfach und macht jede Menge Dreck. Calçotada heißt das durchaus unterhaltsame Ritual. Im kleinen Städtchen Valls zelebriert man das Zwiebelchenfuttern Ende Januar als ebenso wildes wie witziges Fest.

Foto: Laia Estrada

»Gesicht zum Himmel, Mund auf, calçot runterlassen – und versenken.« So einfach ist das mit dem Frühlingszwiebel-Essen. Theoretisch zumindest. Ganz praktisch ist das Spektakel für Anfänger erstmal eine ziemliche Sauerei, wie ich am eigenen Leib erleben durfte. Gelernt habe ich das Frühlingszwiebel-Essen von Olga Gatell, Wirtin des Restaurants Masia Bou in Valls im Hinterland der Costa Daurada.

Foto: Marion Trutter

Olga hat sich prächtig über unseren Versuch amüsiert, die länglichen weißen Objekte unfallfrei zu verspeisen. Erstes Ergebnis: dicke orangefarbene Saucenkleckse auf der Brust und Hände schwarz wie die von Kohlearbeitern. Glücklicherweise ist bei der calçotada der Tisch mit einer riesigen Papiertischdecke abgedeckt, und vor jeder Gästebrust hängt ein Stofflatz. Dann kommt ein schnöder Dachziegel auf den Tisch, bestückt mit 15 bis 20 verkohlten Zipfeln – auf den ersten Blick nicht gerade appetitanregend.

Versehentlich verkohlt

Aber erstmal von vorne: Die calçotada, den traditionellen katalanischen Frühlingszwiebelschmaus, soll ein Bauer namens Xat de Benaiges aus Valls erfunden haben. Man sagt, dem Mann seien versehentlich ein paar Zwiebeln ins offene Feuer gefallen und verkohlt. Danach aber hätten sie – säuberlich von den verkohlten Außenschichten befreit – wunderbar geschmeckt. Eine Spezialität war geboren. Mittlerweile kultivieren Dutzende Bauern um Valls im Winter die kultigen Frühlingszwiebeln. Etwa zehn Millionen Stück werden jedes Jahr vermarktet. Die meisten davon landen im offenen Rebholz-Feuer und werden dann in Form der Calçotada verspeist. Um dieses Spektakel zu erleben pilgern jedes Jahr Tausende Besucher ins Alt Camp, den Landstrich östlich von Tarragona. In dem unscheinbaren Provinzstädtchen Valls ist zwischen Januar und April Hochsaison.

So isst man calçots richtig

Foto: Marion Trutter

Zu den calçots wird die typische Sauce salbitxada aus Mandeln, Haselnüssen, Tomate, Knoblauch, Essig und Öl serviert. Und nun beginnt die Arbeit der Gäste: Mit den Fingern der einen Hand das weiße Innere des calçot festhalten, mit der anderen Hand am Zwiebelgrün ziehen – schon hält man den wunderbar weichen Kern in der Hand. Einmal durch die Sauce ziehen, Kopf in den Nacken legen und das Kultobjekt langsam versenken. Die calçots sind buttrig weich und schmecken sehr mild, fast süß.

Wenn das Calçotada-Feuer heruntergebrannt ist, grillt man über der Glut Butifarra-Würste und Lammkoteletts. Als Abschluss gehören zur Calçotada unbedingt frische Orangen - damit sich das schwere Essen besser setzt, wie Olga meint – und eine crema catalana. Ganz klassisch werden zu diesem Mahl Rot- und Weißwein im porrón serviert: Aus der Glaskaraffe mit langem Ausguss kann man sich den Rebensaft direkt in die Gurgel gießen – oder aber schön zivilisiert sein Glas befüllen. Auch ein Gläschen Cava gehört zum Frühlingszwiebelschmaus.

Calçotada: Das große Fest

Foto: Laia Estrada

Gipfel der calçotada-Saison ist jedes Jahr Ende Januar die Gran Festa de la Calçotada, das Frühlingszwiebelfest in Valls. Das 25.000-Seelen-Städtchen muss dann mit ebenso vielen Besuchern fertig werden, die durch die Gassen drängen, Tonnen von Frühlingszwiebeln verschlingen und sich an kuriosen Wettbewerben ergötzen. Prämiert wird nicht nur das natürlich gewachsene Büschel mit den meisten Zwiebelchen, sondern auch die beste calçot-Sauce und – als viel bestaunter Höhepunkt des Festes – der Mensch, der die größte Menge an gegrillten calçots verdrückt.

 

Foto: Laia Estrada